Über den Hauskehricht werden in der Schweiz pro Jahr zwischen 175.000 und 212.000 Tonnen Kunststoffe entsorgt1. Was soll mit diesen Kunststoffen geschehen? Hierüber ist eine spannende Diskussion entbrannt. Das BAFU (Bundesamt für Umwelt) hat am 14. November 2017 dazu eine Tagung durchgeführt.
Was gibt es für Entsorgungswege?
Grundsätzlich gibt es drei Wege der Entsorgung, welche zu verschiedenen Arten von Wiederverwertung führen:
- Stoffliches Recycling: aufbereiten von Abfällen zu Kunststoff-Granulat;
- Thermisches Recycling: nutzen des Brennwertes von Kunststoffen in der Abfallverbrennung;
- Energetisches Recycling: nutzen der Energie im Kunststoff zur Zementherstellung.
In der Schweiz liegen die Anteile wie folgt2:
- Thermisches Recycling: 83,3%
- Stoffliches Recycling: 10,3%
- Energetisches Recycling: 6,4%
In verschiedenen Ländern wird Abfall auch deponiert („Landfill“). Das ist der ungünstigste Entsorgungsweg. In der Schweiz werden seit 2000 keine brennbaren Abfälle mehr deponiert.
Welche Sammelsysteme kennen wir in der Schweiz?
Am Weitesten verbreitet ist immer noch die Sammlung zusammen mit dem normalen Hauskehricht zur energetischen Verwertung.
Es gibt aber auch spezielle Sammelsysteme für Kunststoffe3:
- Kunststoff-Gebührensäcke (4.740 Tonnen/Jahr Sammelmenge)
- Öffentliche/private Sammelstellen (1.181 Tonnen/Jahr Sammelmenge)
- Abgabe bei Detailhandel (5.396 Tonnen/Jahr)
Die stoffliche Recyclingquote bei diesen Systemen liegt bei 53%. Thermisch/energetisch werden auch bei dieser Sammelart 36% verwertet, weitere 11% entfallen auf den Feuchtigkeitsverlust, welcher zu einer Abweichung von Eingangsgewicht der Sammelfraktion und Ausgangsgewicht nach Entsorgung führt.
Eine weitere Studie der EMPA4 hat die stoffliche Recyclingquote beim Kunststoff-Gebührensack KUH Bag untersucht. Der KUH Bag ist ein gemeinsames Pilotprojekt des Zweckverbandes Abfallverwertung Bazenheid ZAB sowie des Verbands KVA Thurgau. Das Einzugsgebiet umfasst 4,6% der Schweizer Bevölkerung. Im zweiten Jahr des Einsatzes des KUH Bags wurden 502 Tonnen Kunststoff aus Haushalten gesammelt, das entspricht einer Sammelquote von 10% der im Einzugsgebiet als sammelbar erachteten Menge. Immerhin hat sich die gesammelte Menge im zweiten Jahr gegenüber dem Startjahr verdoppelt. Bezüglich technischer Recyclingquote (kg Rezyklat/100 kg Sammelmaterial) weist die Studie einen Wert von 47% aus und liegt damit im Bereich der HSR Studie.
Die KuRVe Studie (Kunststoff Recycling und Verwertung)
Die Firma Carbotech AG und das Hochschulinstitut UMTEC hat im Auftrag von acht Kantonen, verschiedenen Verbänden und dem Bundesamt für Umwelt BAFU eine Studie zur Bewertung der Kunststoff Sammelsysteme durchgeführt. Die KuRVe Studie wurde Mitte Juli 2017 publiziert.
Die Studie kommt zu folgendem Ergebnis5: „Kunststoffsammlungen aus Haushalten haben, verglichen mit der Sammlung von PET-Flaschen, eine geringe Kosten / Nutzen- Effizienz. Dem verhältnismässig kleinen ökologischen Nutzen stehen hohe Kosten gegenüber. Der potenzielle ökologische Nutzen einer neuen Kunststoffsammlung pro Person und Jahr entspricht etwa der Einsparung einer Autofahrt von 30 Kilometern pro Person und Jahr.“ Die Studie beziffert die Kosten der Entsorgung: im normalen Hauskehricht mit Verbrennung in der KVA (Kehrichtverbrennungsanlage): CHF 250/Tonne, mittels einer neuen Kunststoff-Separatsammlung CHF 750/Tonne. Von dieser Beurteilung ist das bestehende Sammelsystem für PET Getränkeflaschen (PRS System) ausgenommen.
Die KuRVe Studie versteht sich als Grundlage für weitere Diskussionen und als Beitrag zur Unterstützung des politischen Entscheidungsprozesses.
Die Haltung von Bund, Kantonen und Gemeinden
An der BAFU Tagung vom 14.11.17 wurde die gemeinsame Haltung von Bund, Kantonen und Gemeinden (Bundesamt für Umwelt BAFU, Cercle Déchets CD, Organisation Kommunale Infrastruktur OKI) dargelegt6:
- BAFU, CD und OKI können das Bedürfnis der Bevölkerung, möglichst viele Kunststoffabfälle separat sammeln zu wollen, nachvollziehen. Eine Sammlung ist aber nur sinnvoll, wenn Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen.
- Aus Sicht des BAFU, CD und OKI ist die sortenreine separate Sammlung von PET-Getränkeflaschen sinnvoll. Sie soll unbedingt beibehalten werden, weil bei PET-Getränkeflaschen ein hochwertiges „Bottle-to-Bottle“-Recycling möglich ist.
- BAFU, CD und OKI begrüssen die vom Detailhandel angebotene, schweizweite und flächendeckende Sammlung von Kunststoffflaschen. Hier handelt es sich meist um PE-Kunststoff, der gut verwertbar ist. Zudem ist diese Sammlung für die Konsumentinnen und Konsumenten kostenlos.
- Gegenüber der separaten Sammlung von gemischten Kunststoffabfällen sind BAFU, CD und OKI skeptisch, da der stofflich hochwertig verwertbare Anteil des Sammelgutes tief ist.
- Je nachdem, wie sich die Situation in den kommenden Jahren aufgrund von technischen Innovationen entwickeln wird, werden BAFU, CD und OKI eine Neubeurteilung vornehmen.
Unsere Haltung
Wir als Verarbeiter mit einem grossen Verpackungsanteil begrüssen die Haltung der Behörden. Diese spricht sich klar für eine hohe Qualität des Sammelgutes aus. Gewissermassen eine selektive Kunststoffsammlung. Diese wiederum erlaubt es uns als Verarbeiter, aus gesammelten weggeworfenen Kunststoffverpackungen wieder das gleiche Produkt herzustellen. Wir halten also den Werkstoff möglichst lange in einem „closed loop“. Sollte sich die Qualität nach x stofflichen Recyclingzyklen verschlechtern, bleibt immer noch die Option der thermischen oder energetischen Verwertung.
Ein „bottle-to-bottle“ Recycling wird von uns favorisiert. Hierbei geht es darum, dass anstelle von Neumaterial hochwertiges Recyclinggut eingesetzt wird. Die Herstellung von einem kg Polyethylen (PE-HD) erfordert 76,7 MJ7, bei einem Brennwert von 54,3 MJ/kg7. Die Differenz von rund 22 MJ/kg wird nicht genutzt. Bei der Aufbereitung wird für das Aufschmelzen eines kg Polyethylen rund 0.5 MJ/kg benötigt. Nicht vergessen darf man auch, dass die Verbrennung von 1 kg Polyethylen 3,14 kg CO2 verursacht.
Mit einem Sammelsystem, welches selektiv ausgewählte Fraktionen in hoher Qualität erfasst, erreichen wir sehr hohe stoffliche Recyclingquoten. Ein hervorragendes Beispiel dazu ist das gut funktionierende PRS System für PET Getränkeflaschen, welches eine Sammelquote von 83% erreicht. Dank der guten Qualität des Rezyklats ist ein „bottle-to-bottle“ Recycling möglich. Gleichzeitig bleiben die weiteren Entsorgungswege thermisches und energetisches Recycling bestehen.
Eine Umfrage8 bei 485 Verarbeitern aus 28 – durchgeführt von der EuPC (European Plastic Converters), hat im Wesentlichen ergeben, dass es an qualitativ hochstehendem Recyclingmaterial fehlt.
Wenn die stoffliche Verwertung ausgebaut werden soll, dann ist gute Qualität des Sammelgutes eine Grundbedingung dafür. Im Weiteren muss aber auch eine Bereitschaft bei den Detaillisten, Abfüllern, Brand Owners und Weiteren bestehen, Produkte aus Post-Consumer-Recycling Material einzukaufen.
(zur grösseren Ansicht, bitte auf das Bild klicken)
Flaschen aus 100% Post Consumer Recycling PE-HD (Logo Plastic).
1 Kunststoffmengen im Hauskehricht, Kunststofftagung 14.11.17, BAFU (ohne PET Getränkeflaschen im PRS System, ohne Verbundwerkstoffe und ohne Textilien).
2 BAFU, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/abfall/abfallwegweiser-a-z/kunststoffe.html
3 Übersicht der verschiedenen Sammelsysteme der Schweiz, HSR Hochschule für Technik Rapperswil, UMTEC Institut für Verfahrens- und Umwelttechnik, 14.11.17
4 Zusammensetzung und Recyclingquoten von gemischten Kunststoffsammlungen - Erfahrungen aus dem KUH-Bag System, EMPA, 14.11.17
5 KURZBERICHT –KuRVe (Kunststoff Recycling und Verwertung) - Ökonomisch-ökologische Analyse von Sammel- und Verwertungssystemen von Kunststoffen aus Haushalten in der Schweiz, Carbotech AG, 13.07.17
6 Haltung BAFU, CD und OKI zur Sammlung von Kunststoffabfällen aus Haushalten, Bundesamt für Umwelt (BAFU),Cercle Déchets (CD),Organisation Kommunale Infrastruktur (OKI),14. November 2017
7 Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe: Grundlagen - Werkstoffe – Anwendungen, Türk, 2013, Springer Verlag
8 The Usage of Recycled Plastics Materials by Plastics Converters in Europe - A qualitative European industry survey October 2017, EuPC, Brüssel