Unter dem Titel Klimakiller Kunststoff berichtet Greenpeace auf ihrer Website über den Report «Plastic & Climate» welcher im Mai 2019 erschienen ist. Von der Produktion bis zur Entsorgung sollen 2019 insgesamt 850 Mio. Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen1. Weltweit betrug der Ausstoss von Treibhausgasen aber gemäss der IPCC 53.5 Gigatonnen CO2 Äquivalente2. Kann man bei einem Anteil von 1,6% von Klimakiller sprechen? Geht Klimaschutz überhaupt ohne Kunststoff?
Verzicht auf Kunststoff erschwert Erreichen der Klimaziele
Die Studie betrachtet also nach ihren Berechnungen 1,6% der Treibhausgasemissionen. Dabei ist das Vorgehen der Studie durchaus fragwürdig.
Die Studie nimmt für sich in Anspruch die CO2 Emissionen des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen zu berechnen. In den Lebenszyklus eingeschlossen sind folgende Phasen1:
- Fossil fuel extraction and transport
- Plastic refining and manufacture
- Managing plastic waste
- Ongoing impact in waterways, oceans and landscape
Was fehlt ist die Gebrauchsphase. Und genau da spielen Kunststoffe eine entscheidende Rolle im Klimaschutz:
- Mobilität: Fahrzeuge, Schiffe, Eisenbahnen und Flugzeuge sind dank Kunststoffen wesentlich leichter und benötigen weniger Energie
- Heizen: Kunststoffe haben eine sehr tiefe Wärmeleitfähigkeit und stellen das beste Material für Gebäudeisolationen dar
- Food Waste: durch adäquate Kunststoffverpackungen kann massiv Food Waste eingespart werden und es müssen weniger neue Lebensmittel hergestellt werden
- Recycling: durch den im Vergleich zu anderen Werkstoffen tiefen Schmelzpunkt ist das Kunststoffrecycling weniger energieintensiv
Ein Verzicht auf Kunststoff würde das Erreichen der Pariser Klimaziele verunmöglichen. Der Ausstoss von Treibhausgasen würde sich verdreifachen!3
Die Umweltkosten würden von USD 139 Milliarden auf USD 533 Milliarden steigen.4
Wie Kunststoff hilft, die Pariser Klimaziele zu erreichen
Mobilität
Kunststoffe haben ein spezifisches Gewicht (Dichte) von rund 1 g/cm3. Andere Werkstoffe die in Fahrzeugen, Flugzeugen und Schiffen verbaut werden sind wesentlich schwerer5:
- Aluminium: 2,7 g/cm3
- Glas: 2,5 g/cm3
- Stahl: 7,85 g/cm3
Swiss Plastics schätzt die Gewichtsersparnis bei einem Mittelklasseauto auf 300 kg durch den Einsatz von Kunststoff.6
Darüber hinaus bieten neue Werkstoffe wie Kunststoff-Composites zusätzliche Möglichkeiten im Leichtbau. Die US Autobahnbehörde hat von der George Washington Universität berechnen lassen, welche Gewichtsersparnis bei einem Pick-Up Truck durch den weitestgehend möglichen Einsatz von modernen Kunststoffen wie eben Composites erreicht werden kann. Das Ergebnis ist beeindruckend: das Gewicht von einem Chevrolet Silverado kann von 2,307 Tonnen nochmals deutlich auf 1,874 Tonnen gesenkt werden. Das sind zusätzliche 19%!7
Ohne Einsatz von Kunststoffen würde die Mobilität ein Vielfaches an CO2 Emissionen verursachen.
Gebäudeisolationen
In der Gebäudeisolation werden Polyuerthan (PUR) Schäume verwendet. Diese weisen eine Wärmeleitfähigkeit von 0,021 W/mK auf.8 Im Gegensatz dazu beträgt die Wärmeleitfähigkeit von alternativen Werkstoffen9:
- Holzfaserdämmplatte: 0,037..0,06 W/mK
- Wolle: 0,035 W/mK
- Kork: 0,035..0,046 W/mK
- Glasschaum-Granulat: 0,08 W/mK
- Beton: 2,1 W/mK
Weltweit generieren Heizung und Elektrizität 25% der Treibhausgasemissionen10.
Mit der konsequenten Dämmung von Gebäuden mit PUR Schäumen können CO2 Emissionen gesenkt werden. Bei Verzicht darauf würden die Emissionen deutlich steigen weil die alternativen Werkstoffe schlechter isolieren!
Food Waste
Rund 1/3 der weltweit produzierten Lebensmittel werden zu Food Waste. Das entspricht einem Gewicht von 1.3 Milliarden Tonnen!11
Dabei kann eine sinnvolle Kunststoffverpackung helfen, den Food Waste deutlich zu verringern. Pro kg frischen Lebensmitteln wird durch weniger Food Waste 270 g CO2 eingespart. Der CO2 Footprint von Verpackungen macht gerade mal 1,3% aus.12
Ein Verzicht auf Kunststoff bei Lebensmittelverpackungen hätte fatale Folgen auf den CO2 Fussabdruck: es müssten viel mehr neue Lebensmittel produziert werden, zu enorm hohen Umweltkosten!
Recycling ist die Lösung
In Ihrer Kunststoffstrategie hat sich die EU Kommission klar für die Kreislaufwirtschaft ausgesprochen. Sie strebt an, bis im Jahr 2025 in Europa 10 Mio. Tonnen Rezyklate zu verwenden.13
Und auch die Studie hebt den positiven Klimabeitrag vom Kunststoffrecycling hervor: pro metrische Tonne rezykliertem Kunststoff wird ein CO2 Äquivalent von 1,395 Tonnen eingespart:
(zum Vergrössern bitte anklicken)
Wenn es gelingt, rund 70% der Kunststoffe zu rezyklieren, wäre Klimaneutralität gegeben. Unter Berücksichtigung der CO2 Einsparungen in der Gebrauchsphase kann dieser Wert sogar tiefer liegen.
Die gesamte Wertschöpfungskette ist hier gefordert, einerseits Produkte zu gestalten, die gut recyclebar sind (Design for Recycling) und andererseits Produkte aus Rezyklaten zu akzeptieren und zu erwerben.
Ferner ist auf unnötige Verpackungen zu verzichten, der Anteil des verwendeten Kunststoffes muss auf das zum Schutz des Füllgutes oder zum Erfüllen der Funktion notwendige Gewicht reduziert werden.
Sinnvoller Kunststoffeinsatz gepaart mit hohen Recyclingraten sind notwendige Voraussetzungen für die Erreichung der Pariser Klimaziele.
Ein Verzicht auf Kunststoffe wirkt sich auf die Emissionen der Treibhausgase fatal aus und beschleunigt die Klimaerwärmung.
Quellennachweis:
1 Plastic & Climate, The hidden cost of a plastic planet, CIEL, Washington, 2019
2 UNEP, Emissions Gap Report 2018, Katowice
3 Prof. David Bucknall, Institute of Chemical Sciences, Herion-Watt University, zitiert in EuPC Conference, Berlin, 2019
4 Plastics and Sustainability : a valuation of environmental benefits, costs and opportunities for continuous improvement. American Chemistry Council / Trucost, New York, 2016
5 Wikipedia, 2019
6 Swiss Plastics, Aarau, 2018
7 Investigation of Opportunities for Leightweight Vehicels Using Advanced Plastics and Composites, US Dept. Of Transportation, NHTSA, Washington, 2012
8 Saechtling Kunststoff Taschenbuch Bauer et al., Hanser München, 2007
9 Wikipedia, 2019
10 IPCC, Climate Change 2014, Cambrige University Press, New York, 2014
11 Global Food Losses and Food Waste, FAO UN, Rom, 2011
12 How Packaging Contributes to Food Waste Prevention, Denkstatt, Wien, 2017
13 Eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft. Europäische Kommission, Brüssel, 16. Januar 2018