Um was geht es?
Seit einiger Zeit wird auf europäischer Ebene und in einzelnen Ländern über eine Plastiksteuer diskutiert und es werden Schritte in Richtung Umsetzung gemacht. Im Budget 2021-2027 der europäischen Union ist eine Plastiksteuer auf dem nicht rezyklierten Anteil von Kunststoffverpackungen enthalten. Diese soll 80 Cent pro Kilogramm nicht rezykliertem Material betragen. Dem Vernehmen nach wollen viele grössere EU Mitgliedsstaaten diese Steuer aus dem allgemeinen EU Etat begleichen, und keine neue Steuer einführen. Einzelne Länder wie Grossbritannien, Italien und Spanien haben ebenfalls eine Steuer auf Kunststoffverpackungen beschlossen, welche auf den Rezyklatanteil abstellt. Die drei Länder könnten nun von der Schweiz ergänzt werden: der Nationalrat hat als erstbehandelnde Kammer am 17. Dezember 2020 die Motion 20.3940 angenommen. Diese Motion der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates sieht eine Steuer auf Kunststoffverpackungen für Getränke und Reinigungsmittel vor, wenn diese nicht mindestens 25% Rezyklatanteil enthalten.
Warum eine Plastiksteuer das falsche Instrument ist
Diese Motion ist in verschiedener Hinsicht problematisch und unterstützt die Kreislaufwirtschaft nicht:
- Viele Anwendungen lassen sich nicht mit Rezyklatanteil umsetzen. Die Verwendung von Rezyklaten für Lebensmittel ist im Bereich der Polyolefine (Polyethylen, Polypropylen) aktuell wegen fehlender Zulassungen kaum möglich (Vgl. Verordnung (EG) 282/2008). Bei den Reinigungsmitteln erfordern verschiedene Substanzen (zB. Konzentrate) eine sogenannte UN Zulassung. Auch hier ist der Einsatz von Rezyklaten nicht machbar. Diese Verpackungen werden diskriminiert.
- Es gibt derzeit und in naher Zukunft zu wenig Rezyklate in genügender Qualität. Bevor überhaupt über eine solche Steuer nachgedacht wird sollten ausreichende Sammel-, Sortier- und Aufbereitungsstrukturen geschaffen werden. In Europa beklagen fast 70% der Verarbeiter, dass nicht genug geeignete Rezyklate erhältlich sind.
EuPC, Survey on the use of rPM, Brüssel, 2020
- Kunststoffe sind nicht die einzigen Werkstoffe, welche für Verpackungen verwendet werden. Wenn diese mit einer Steuer belegt werden, kann das zum Wechseln auf andere Werkstoffe führen, welche genau so viel Abfall verursachen, aber unter Umständen nur mit höherem Energiebedarf zu recyceln sind und ökologisch schlechter abschneiden. Die Umwelt wäre in diesem Fall die Verliererin. Ein Verzicht auf Plastik bei Konsumgüterverpackungen erhöht die Umweltkosten um das Vierfache!
Trucost, Plastics and Sustainability, Washington, 2016
- Wenn Kunststoffverpackungen besteuert werden und andere Verpackungsmaterialien nicht ist das diskriminierend.
- Die Steuer trägt nichts zur Sammlung und Wiederaufbereitung bei. Und genau da setzt die Kreislaufwirtschaft an. Die Mittel müssten wenn schon gezielt in den Aufbau von solchen Infrastrukturen eingesetzt werden. Dazu fehlt in der Schweiz derzeit eine kohärente Strategie.
- Die Steuer verhindert Initiativen aus dem privaten Sektor. Und da gibt es vielversprechende Konzepte, siehe weiter unten.
So gut eine Plastiksteuer auch tönen mag, sie löst das Ressourcen- und Abfallproblem nicht.
Zurücklehnen und nichts tun?
Soll sich die Industrie also zurücklehnen und nichts tun? Auf keinen Fall. Zu gross sind die Umweltprobleme, allen voran der Klimawandel der unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Viel zu gross auch unser Ressourcenbedarf. Wir müssen handeln, und zwar schnell.
Es gibt Lösungen!
Am besten funktionieren Lösungen, auf die sich betroffene Wertschöpfungsketten freiwillig einigen. Dass das wunderbar klappen kann zeigt das Beispiel der Organisation PET Recycling Schweiz PRS. Die Verordnung über Getränkeverpackungen (VGV) fordert im Artikel 8 Absatz 1 eine Verwertungsquote für Getränkeverpackungen aus Glas, PET und Aluminium von 75%. Beim PET beispielsweise hat die Branche um dieses Ziel zu erreichen die PRS ins Leben gerufen und finanziert die Sammlung und Verwertung mit einem Beitrag pro Flasche. Die Sammelquote liegt heute weit über der Zielmarke, die Sammelbehälter stehen überall im öffentlichen Raum und in Büros.
Ein gutes System der erweiterten Produzentenhaftung hat auch der Verein PRISMA entwickelt. Ähnlich wie bei PRS wird eine Organisation geschaffen, die von den Inverkehrbringern finanziert wird und welche die Sammlung und Verwertung zusammen mit den Kantonen und Gemeinden organisiert (wir haben in der Schweiz ein öffentliches Abfallmonopol für Siedlungsabfälle). www.prisma-innovation.ch/one-for-all-blueprint
Das PRISMA System umfasst alle Verpackungsarten, also auch Alu, Glas, Karton etc. Durch Eco-Modulation werden Verpackungen die nachhaltig gestaltet sind (Design for Recycling and Circularity) bevorzugt behandelt.
Erliegen wir also nicht populistischen Massnahmen, die gut tönen, aber der Umwelt wenig bringen, sondern setzen wir umfassende Konzepte um und schaffen Kreislaufwirtschaft über alle Verpackungen hinweg.